04.10.2014

Asienabteilung Lindenmuseum | Stuttgart

Figürliche Darstellung eines Chökyong
Mit aufgerissenen Augen und gefletschten Zähnen starrt mich eine feuerrote Fratze an. Sie starrt und starrt bis ich in der leichten Reflexion der Vitrinenscheibe merke, dass ich es bin, der die Fratze anstarrt und nicht umgekehrt. Die bhutanische Maske formt zusammen mit einem prächtig bunten Gewand aus Seidenbrokat und tibetanischen Tanzstiefeln das Abbild eines Chökyong oder Dharmapala, eine hochrangige und zornvolle Gottheit, die mit dem Schutz der buddhistischen Lehre beauftragt wurde…


In der Südasienausstellung des Stuttgarter Lindenmuseums kann man nicht nur vor diesem
Ein Raum der Südostasienabteilung
Gottesabbild ins Staunen geraten. Sämtliche Exponate faszinieren durch ihre Klarheit und kunstvolle Ausarbeitung in den dunklen Ausstellungsräumen, die nur punktuell erleuchtet sind, so dass man unmöglich nicht in ihren Bann gezogen werden kann.
Ausgehend von Indien, dem Hinduismus und Buddhismus, präsentiert die Ausstellung den asketischen Jinismus, Indo-muslimische Kulturen, erklärt Konflikte auf Sri Lanka zwischen buddhistischer Majorität und tamilisch-hinduistischer Minorität; es folgen Einblicke in die malaiische sowie javanesische Kultur, in die Geschichte der Khmer in Cambodia und die der Champs in Vietnam; die Abteilung endet mit Zeugnissen der buddhistisch geprägten Gesellschaft Tibets und der Mongolei, darunter mit einem imposanten tibetischen Altarraum und den eingangs erwähnten, zauberhaften Kostümierungen der Cham-Tänzer.

Die Jahrhunderte und Jahrtausende alten Stein-, Bronze-, Elfenbeinfiguren und kostbaren Textilien üben etwas Anziehendes aus, als würden sie Geheimnisse bewahren, die sie einem, bei genügend langer Betrachtung, womöglich zuflüstern könnten.
Ich möchte keineswegs in romantisierenden Mystizismus oder naive Schwärmerei verfallen. Aber die Objekte an sich sind schlichtweg so sehenswert, dass man einfach nur staunen und ganz darin aufgehen möchte. Was ich damit sagen möchte: warum auch nicht?! Museum soll gerne ein Ort des Lernens und der Bildung sein, aber eine Ausstellung muss auch gefallen, ja besser noch: faszinieren, damit überhaupt die Lust zum Lernen aufkommt; wenn es mitreißt, dann kommt das Aufsaugen von Informationen ganz von selbst.
Und an dieser Stelle stellt sich das Museum vielleicht selbst ein Bein. Mit Tafeln, die überlastet sind
Diffuse Texttafeln
von umständlich verfassten, zu langen Texten und grafisch ungeschickter Gestaltung. Sicher, man muss sie nicht lesen, wenn man nicht will. Doch ich möchte mich orientieren, einen groben Leitfaden erhalten und dazu funktionieren die Texttafeln nicht. Also überspringt man sie ungewollt und wird von einem Gefühl der Unvollständigkeit bedrückt. Die Exponate – hier auch noch gut in Szene gesetzt und sinnvoll zueinander angeordnet – sprechen im Großen und Ganzen für sich selbst. Die Texte hätten diesen Eindruck leichtfüßig ergänzen sollen anstatt zu belasten. Darüber hinaus bleiben die Erklärungen zu historisch und stellen nur einen unzureichenden Bezug zur Gegenwart her.

Das Stuttgarter Linden-Museum
Insgesamt festzuhalten bleibt: allein der einstöckige Asien-Teil (in der auf insgesamt drei Stockwerken verteilten) der Dauerausstellung reicht für einen befriedigenden Museumsbesuch aus - den Ostasienteil mit China und Japan sogar nur im Vorbeigehen betrachtet. Mit der Umgestaltung dieses Teilbereichs ist das 1911 eröffnete Lindenmuseum endlich seiner wertvollen Sammlung auch durch die Präsentation gerecht geworden.

Tibetische Gebetsmühle
Nachbau eines gib. Tempels
  • Lieblingsexponat? – Die Knochentrompete Kangling; die Masken und Gewänder des Cham Tanzes; der tibetanische Tempel
  • Nachmachen! – entsprechend faszinierende Objekte sammeln
  • Was stört? – siehe "wie hinkommen"
  • Wie hinkommen? – keine U-Bahn Anbindung, keine Parkplätze
  • Charme? – liegt weniger im Haus, als vielmehr in der Gesamtheit der wertvollen Exponate
  • Jahreskarte oder Tagesticket? – Um die Dauerausstellung in Ruhe zu erkunden, sollte man mehrmals kommen; und großartige Sonderausstellungen gibt es häufig. Mit anderen Worten: Jahreskarte!
  • Was gibt´s noch? – Das "Hegel Eins" im Lindenmuseum ist ein klasse Lokal, wo man nach einem Ausstellungsbesuch an der Bar in gemütlicher Atmosphäre über das Gesehene nachdenken kann; aber auch unabhängig vom Museumsbesuch ein empfehlenswertes Restaurant

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