|
Das Eingangsportal des Musée de l´art et d´histoire |
In einem prachtvollen historischen, inzwischen renovierungsbedürftigen Bau, ist das Musée d´art et d´histoire in Genf untergebracht. Der Name ist Programm: auf einem klassischen Rundgang begegnet man in der auf mehreren Stockwerken verteilten Dauerausstellung Kunstwerken von vorchristlicher Zeit bis ins späte 20. Jahrhundert, aufgeteilt in die Abteilungen Kunstgeschichte (Angewandte und Schöne Künste) und Archäologie...
Im Erdgeschoss warten Waffen und Rüstung in den Wandvitrinen, Ikonen, Votivgaben, römische Skulpturen sowie eine Möbelansammlung: Jugendstil, Art Déco, Wiener Schule und Bauhaus nebeneinander. Ein Geschoss weiter oben schreitet man zunächst durch die in ihrem ursprünglichen Zustand erhaltenen Herrschaftszimmer: hohe, dunkle Holzwände mit Tapisserien und großen, grünen Kacheln verkleideten Öfen. In einem Durchgangsraum gar etwas Volkskunde in Form von Modeln. Anschließend ein Gang mit Silberservice und Streichinstrumenten. Im nächsten Flügel sind Gemälde ausgestellt: von den alten Meistern aus dem 15. Jh. bis hin zu einem Raum mit Impressionisten. Der Abschluss ist dem schweizer Maler Ferdinand Hodler sowie Picasso und einer Videoinstallation gewidmet.
Aber lassen wir die Aufreihungen. Zu konstatieren bleibt einerseits ein thematisches, zeitliches und inhaltliches Nebeneinander mit sprunghaften Übergängen; sehr dürftige Informationen zu den Exponaten und Einheiten; kaum eine Beschriftung ist mehrsprachig. Andererseits ist kein Objekt zu viel, man wird an keiner Stelle von Überfluss ertränkt – mit anderen Worten: genau die richtige, überschaubare Menge an Exponaten, die übersichtlich und ästhetisch anspruchsvoll geordnet ist; ein Innenhof mit wunderbarer Atomsphäre (wo gerade eine Hochzeitsfeier stattfand – die Klänge der dreiköpfigen Jazzband erfüllten das gesamte Museumsgebäude mit angenehmer Musik).
Die Dauerausstellung ist gleichzeitig Museumsausstellung auf Metabene: wir können nicht nur die ausgestellten Exponate betrachten. Auch eine bestimmte Art der Museumsgestaltung lässt sich bestaunen, von der man annehmen würde, sie sei spätestens in den 1990ern aus der Mode gekommen. Aber das, was ist, ist prachtvoll und ich schlendere durch die Räume und Gänge mit nostalgischer Euphorie, einem Gefühl, als befände ich mich in einer vergangenen Zeit und verliere mich in Handskulpturen der Hoffnung und im Meer Monets. Dennoch kann man nicht behaupten, das Musée d´art et d´histoire sei altmodisch oder schlicht gestaltet. Es hat vielmehr Veränderungen überdauert, die ihrerseits auch wieder vergehen werden und an deren Ende man womöglich wieder im "klassischen" Museum landen wird.
Wie es der Zufall will: am Abend erfahre ich aus einem älterem Artikel in der „Tribune de Genève“
http://www.tdg.ch/culture/antiquite-mediterraneenne-musee-dart-dhistoire-geneve/story/24408518, dass der in Ägypten geborene, seit den 1960er Jahren in der Schweiz lebende Unternehmer J.C. Gandur sich als Mäzen des Musée d´art et d´histoire betätigen möchte: er bietet dem Haus zu dessen Renovierung und Umgestaltung über 20 Millionen Franken an. Auch seine private Sammlung, die er seit seinem 9.(!) Lebensjahr aufgebaut hat, könnte den Weg ins Museum finden. Bereits seine Vorfahren schufen das archäologische Museum von Alexandria…
- Lieblingsexponat? – Monets "La cabane de Saint-Andresse" (1867); Liotards "Türkische Dame mit Dienerin" (ca. 1745); Modiglianis "Femme en robe noire" (1917)
- Nachmachen! – Genau die richtige Menge an Exponaten.
- Was stört? – Kaum Informationen zu den Exponaten und Themen-/Epochenräumen.
- Wie hinkommen? – Genf ist überschaubar: zu Fuß oder mit einer der wenigen Straßenbahnen.
- Charme? – Das Museum wirkt sympathisch als sei es eine zuvorkommende Person, die einen auf einen kurzen Ausflug in die Vergangenheit mitnimmt.
- Jahreskarte oder Tagesticket? – Würde ich in Genf wohnen, könnte ich mir vorstellen, mindestens einmal im Monat in der Mittagspause oder nach der Arbeit durch die Gänge zu schlendern, um die Alltagssorgen hinter mit zu lassen.
- Was gibt´s noch? – In Sichtweite vom Haupteingang liegt die russisch-orthodoxe Kirche mit ihrem golden glänzenden Dach. Da auch das Innere eindrucksvoll ist, lohnen sich die wenigen Schritte.
|
Im Waffensaal des MAH |
|
Im Treppenhaus vor einem Hodler |
|
Innehof des MAH mit Hochzeitsparty |
|
Kaminzimmer |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen