20.02.2013

Album Covers – Vinyl Revival | Designmuseum Danmark



Kopenhagen zur Weihnachtszeit: kalter Wind und Schneeregen. Der Hauptbahnhof ist umzingelt von Baustellen. Der bewölkte Himmel bedeckt die Stadt fast völlig mit seinem grauen Schleier – wären da nicht die funkelnden Lichter der Weihnachtsbeleuchtungen und die riesigen Neonreklamen. Wir haben sechs, sieben Stunden bis unser Zug nach Schweden fährt. Trotz des schlechten Wetters ziehen wir zu Fuß durch die Stadt, entlang eines Weges, den eine Karte der Touristeninfo vorschlägt, wenn man Kopenhagens wichtigste Punkte zumindest von außen gesehen haben möchte. Nach einem zitternden Bummel durch die wohl längste Fußgängerzone Europas, Strøget, ziehen wir in der Hafengegend an zahlreichen Glühwein- und Pølserbuden vorbei und sehen am Palast bei einer Wachablösung zwei schwarze Limousinen durch das Tor rauschen, wobei wir in einem der Wägen die Königin vermuten. Schließlich brauchen wir eine Auszeit von der Kälte und begeben uns, anstatt zu Andersens Meerjungfrau weiterzulaufen, in das Designmuseum Danmark...

An der Kasse empfangen uns spaßend zwei ältere Herren und versuchen uns zu überzeugen, dass wir doch noch Studenten wären. Bereits das Café, in dem wir unseren Rundgang mit einer Tasse Tee beginnen, ist ästhetisch anspruchsvoller eingerichtet als die meisten Ausstellungen anderer Museen. Auch die Herrentoilette steht in nichts nach: ein großer, mit Marmorplatten ausgelegter Raum mit einer vergoldeten Kloschüssel. Gleichzeitig hat sie jedoch etwas veraltetes, leicht schäbiges, was generell in Dänemarks öffentlichen Restrooms anzutreffen ist. Aber meine Erinnerung kann mich auch täuschen. In der Dauerausstellung, deren Einleitung die Möbel des Desigerns Juhl Finn bilden (auf denen man sogar Platz nehmen darf), halten wir uns nicht ausführlicher auf. Erstens, weil die Designklassiker des 20. Jahrhunderts nur zu gut bekannt sind und zweitens, weil man, je länger man die Sofas und Stühle betrachtet, desto weniger ohne sie das Gebäude wieder verlassen will.
Da wir außerdem nicht allzu viel Zeit haben, konzentrieren wir uns auf die Sonderausstellung. Schon deren Überschrift lockt mich als Plattensammler besonders: „Album Covers – Vinyl Revival“. Doch in den viel zu kalten Sonderausstellungsräumen mit schwarz gestrichenen Wänden ist das Thema zu reduziert dargestellt. Etwa acht, von der Decke abgehängte Plastikwände baumeln diagonal hintereinander. Jede Wand ist auf der Vorder- und Rückseite mit jeweils 16 Plattencovern bestückt, die thematisch zusammengestellt sind: nach Traumbildern, Landschaften, Urbanismus, Schwarz/Weiß, männliche/weibliche Stilikonen, Fantasiewesen etc. Die etwa 400 einflussreichsten und bekanntesten Plattencover der vergangenen 60 Jahre aus sämtlichen Genres sind dort versammelt –  von John Coltranes „Blue Train“ über Iron Maidens „The Number of the Beast“ bis hin zu Björks „Homogenic“. Entlang der Raumwände befinden sich Texttafeln mit einer kleinen Reise durch die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts, die nicht isoliert von der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung dargestellt wird.  
Einerseits sprechen die ausdrucksstarken Bilder für sich, da sie die Warnung „don´t judge a book (in diesem Fall: album) by its cover“ mit Leichtigkeit umwehen und bereits ohne die Qualität der musikalischen Inhalte zum Erwerb verleiten. Auf diese Weise funktioniert etwa das Albumcover von Nirvanas „Nevermind“ auch ohne die genialen, inzwischen historischen Songs: das Bild des unter Wasser schwimmenden Neugeborenen, das vom am Faden hängenden Dollarschein gelockt werden soll, bringt die Gesellschaftskritik der Band auf den Punkt. Andererseits steht ein Plattencover auch mit der Musik auf der Scheibe in Verbindung. Daher hätte ich mir mehr Hörstationen gewünscht als „nur“ zwei Plattenspieler am Ende der Ausstellung. Somit frage ich mich beim Hinausgehen: hätte ich an der Sonderausstellung auch Gefallen gefunden, ohne ein persönliches Interesse an Pop/Rock, Metal und Jazz? Doch – um mit dem Anthropologen Evans-Pritchard zu sprechen – macht es wenig Sinn darüber nachzudenken, was wäre, „if I were a horse“.  


Lieblingsexponat? – Master of Puppets

Nachmachen! – Den Ausstellungskatalog, aber bitte mehrsprachig

Was stört? – Die für den Winter zu kalte Raumtemperatur, der Eindruck, die Ausstellung sei noch nicht ganz fertig

Wie hinkommen? – Vom Hauptbahnhof zu Fuß

Charme? – (Auf das gesamte Haus bezogen) Wie dänische Pölser: mögen schlicht daherkommen, sind aber nie aus der Mode gekommen

Jahreskarte oder Tagesticket? – Die Klassiker der Dauerausstellung benötigen nicht unbedingt mehrere Besuche
Was gibt´s noch? – wie es sich für Designmuseum gehört: ein im passenden Stil eingerichtetes Café mit kleiner, aber frischer Auswahl

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