26.04.2015

Textilmuseum | St. Gallen

Rechts das Textilmuseum, links C&A
In der wunderschönen kleinen Altstadt St. Gallens befindet sich das Textilmuseum. Die Lage könnte in kaum einem interessanteren Spannungsfeld liegen: gegenüber des 1886 erbauten „Palazzo Rosso“, welches das Museum beherbergt, steht eine Filiale des Bekleidungshauses „C&A“ – voreilig könnte man meinen Tradition trifft auf Moderne...
Genauer recherchiert zeigt sich jedoch, dass das Düsseldorfer Unternehmen bereits 45 Jahre vor dem Museum gegründet wurde. Müsste man sich also korrigieren auf Unverkäufliches gegen Verkäufliches? Hochkultur vs. Alltagskultur? Doch auch hierbei ist die Trennung nicht so eindeutig. Denn der Museumsshop bietet ebenso wie C&A Textilien zum Verkauf an, die Ausstellung zeigt auch Alltagskleidung und ist Spiegel der erfolgreichen Ostschweizer Textilwirtschaft.

Einer der Unterschiede liegt im Auftrag: C&A hat einen rein wirtschaftlichen, das Museum arbeitet vermittelnd und wirkt als Bewahrer von Kulturgut. Das, was Kaufhaus und Museum (leider)
Ein Blick in die Dauerausstellung
entscheidend trennt, ist die moralische Verantwortung zur Aufklärung und zur Veränderung bzw. die Wahrnehmung dieser Verantwortung. Aufklärung etwa über die Schattenseiten der Textilwirtschaft sowie kritische Aufarbeitung der historischen Textilproduktion – was auch ohne erhobenen Zeigefinger möglich ist – und damit möglicher Motor für Veränderung sein kann. Bisher ist dieser Teil noch nicht Bestandteil des Auftrags vieler (Textil-)museen, so auch nicht in St. Gallen. Beispielhafte Wegbereiter sind das TIM in Augsburg oder etwa die aktuelle Sonderausstellung „Fast Fashion“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.

Unabhängig von dieser Diskussion ist ein Besuch im Textilmuseum St. Gallen zu empfehlen. Die übersichtliche Dauerausstellung mit internationalen Prachtstücken und Textilien Ostschweizer
Historischer Blick auf das Kinderfest
Tradition wird ergänzt durch eine Textilbibliothek und wechselnden Ausstellungen. So ist aktuell bis zum 9. August 2015 noch die Ausstellung zum St. Galler Kinderfest zu sehen. Diese lokale Tradition, die – wie der Titel „´s isch ´s isch nöd“ verrät – je nach Wetterlage mal an diesem, mal an jenem Datum fortgesetzt wird, hat solch wunderbare Kleider aufzuweisen, die mit einfachen Mitteln großartig inszeniert sind, dass der Besuch auch überregionalen Gästen ans Herz zu legen ist.


  • Lieblingsexponat? – die türkischrot gefärbten Tücher mit Ätzdrucken aus der Ostschweiz, 1860er Jahre
  • Nachmachen! – ständig wechselnde kleine, aber feine Sonderausstellungen
  • Was stört? – Die meisten Waren im Shop können ins höhere Preissegment gezählt werden. Das ist bei Anbetracht der Qualität gerechtfertigt. Aber dann sollte es auch möglich sein, mit Karte zahlen zu können. 
  • Wie hinkommen? – Da es mehrerer Umstiege bedurft hätte, um nach St. Gallen zu gelangen, bot sich das Auto an.
  • Charme? – Besonders das original erhaltene Innere des Hauses, mit seinen großen, weißen Türen und dem Treppenhaus, dessen Eleganz durch die Abwesenheit von verspieltem Pomp in Erscheinung tritt, tragen wesentlich zum Charme des Hauses bei. Ebenso erwähnt werden müssen die äußerst höflichen und hilfsbereiten Mitarbeiterinnen des Hauses. Das Gefühl, sich willkommen zu fühlen, hatte ich auch schon im Basler Stadtmuseum (Link). Scheint eine schweizer Qualität zu sein. 
  • Jahreskarte oder Tagesticket? – Wenn man in der Nähe sesshaft ist, lohnt sich ein Jahresabonnement. 
  • Was gibt´s noch? – Zehn Gehminuten vom Museum entfernt liegt an einem Kreisel, umgeben von hohen Jugendstilbauten, das Spisertor. Im auf das Tor hinführenden „Burggraben“ befindet sich das kleine Café „Rimini“, dessen frisch zubereitete Sandwiches man nicht missen sollte. 
Türkischrot gefärbte Tücher mit Ätzdrucken aus der Ostschweiz
Am Spisertor




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