23.02.2015

Rautenstrauch-Joest-Museum | Köln

der Reisspeicher wurde in den 1930er Jahren in Indonesien hergestellt
Ein indonesischer Reisspeicher im Eingangsfoyer
ist das Wahrzeichen des Museums
Asien, Nordamerika, Totenkult, Übergangsrituale – vielfältigste, komplexe Themen in einer Ausstellung zu vereinen, unterschiedlichste Geschichten in eine Erzählfolge zu bringen, das ist die Herausforderung für Ausstellungskuratoren in einem ethnologischen Museum. Meist wird die Gliederung der Themenbereiche zu einem Balanceakt zwischen den Interessen der Spezialisten. Der ausgewiesene Experte für südostasiatische Kulturen möchte sein Gebiet genauso repräsentiert wissen wie der Kurator und Kenner Nordamerikas. Im Rautenstrauch-Joest-Museum ist es gelungen, die klassischen, geografisch orientierten Abteilungen zu einer einheitlichen Ausstellung zu formen, ohne sich in regionalen Kulturstudien zu erschöpfen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vielfältigen Kulturen stehen im Mittelpunkt. Dabei tangieren die Themen auch die Lebenswelt der mitteleuropäischen Besucher und holen diese in ihrer Lebenswelt ab. Die präsentierten Themengebiete sind beispielsweise Wohnen, Kleidung, Grenzüberschreitungen oder Kunst...


Der "Forscherraum", der trotz
seiner Komplexität Anklang
bei den Besuchern findet
An zentraler Stelle widmet sich die Ausstellung auch der ethnografischen Forschung und der wissenschaftlichen Bedeutung einer völkerkundlichen Sammlung. In einem "Forscherraum" können Besucher jeden Alters auf den Spuren berühmter Ethnologen wie dem Feldforscher Bronislaw Malinowski wandeln. Sie werden an die Methoden des Faches herangeführt und erhalten Einblicke in Denkstrukturen und Forschungsansätze, die üblicherweise Studenten der Ethnologie vorbehalten sind. 

Überhaupt sind Besucherinnen und Besucher vom Kindesalter an immer in die Ausstellung eingebunden und können auf verschiedenste Arten Erfahrungen sammeln. Der Museumsbesuch ist eine sinnliche Erfahrung in jeglicher Hinsicht. So wird die Besucherin und der Besucher zu Beginn vor allem durch Akustik auf die weitere Ausstellung eingestimmt. Die bühnenbildartige Szenografie, Aktivstationen,  Lichtstimmungen, Hands-Ons und die Multimediaaustattung garantieren Abwechslung und lassen zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen. Dazu trägt auch bei, dass die aufgegriffenen Inhalte bis in die Gegenwart reichen und beim Besucher Fragen aufwerfen, zum Denken anregen.       

Insgesamt wirkt die 2012 eröffnete Dauerausstellung und das gesamte Museumskonzept vorbildlich auf die Interessen, Vorlieben und Bedürfnisse der Besucher abgestimmt. Angefangen beim deutlich, aber unaufdringlich ausgezeichneten Rundgang, bis hin zu den stilechten Sitzmöbeln oder den kurzen, informativen Texten. Zweifelsohne hat sich die Stadt Köln ein Museum geleistet, das eine Referenz – nicht nur für andere ethnologische Museen – darstellt.

Das Kabinett "Der verstellte Blick"
  • Lieblingsexponat? – Das Kabinett "Der verstellte Blick". Im Innern werden mittels Beamern rassistische Vorurteile über die Bewohner Afrikas in Film, Bild und Schrift an die Wände projiziert. An den Außenwänden widerlegen anschaulich aufbereitete Fakten und Objekte die Stereotype und zeigen, wie diese entstanden sind und bis heute nachwirken. 
  • Nachmachen! – Neben der klugen thematischen Ausstellungsgliederung ist das Museum ein Paradebeispiel für Barrierefreiheit, die von einem großen Willen zur Inklusion zeugt. Erwähnt sei hier nur der Videoguide, der als tragbares Minidisplay den Audioguide für gehörlose Menschen ersetzt. 
  • Was stört? – An einigen Stellen wirkt die Ausstellung überinszeniert. Unzählige Quadratmeter lackierter Holzplatten zeugen von einer ambitionierten Gestaltung, die teilweise unnötig in den Vordergrund rückt. Ist es immer notwendig nach dem Prinzip "viel hilft viel" zu gestalten? Haben wir uns in den letzten Jahren nicht an den "Filmkulissen" im Museum satt gesehen?  Ich bin mir sicher, dass sich in den kommenden Jahren neue Trends in der Gestaltung von Ausstellungen durchsetzen werden – jenseits der pompösen Inszenierung. Die Blicke sind geschult, wir wissen was möglich ist, wo die Grenzen ausgereizt sind. Eine mutige, gelungene und die Objekte rahmende bzw. betonende Szenografie lässt sich nicht mit Materialaufwand und technischer High-End-Ausstattung erkaufen. 
  • Wie hinkommen? – Das Rautenstrauch-Joest-Museum liegt verkehrsgünstig am Neumarkt und ist vom Hauptbahnhof zu Fuß oder per Bahn erreichbar.
  • Charme? – Der Museumsneubau imponiert mit seiner gelungenen Architektur. Die Atmosphäre mutet einladend, funktional und freundlich an.
  • Jahreskarte oder Tagesticket? – Allein die Dauerausstellung hält derart viele Abenteuer bereit, dass sich ein wiederholter Besuch lohnt. 
  • Was gibt’s noch? – Das Rautenstrauch-Joest-Museum teilt sich den Eingangsbereich mit dem Museum Schnütgen. Von der Lobby geht ein Gang zur Cäcilienkirche, die die namhafte Sammlung zur christlichen Kunst im Mittelalter beherbergt. Wer genug von Museum hat, der gelangt in wenigen Minuten in die Innenstadt zum Shoppingvergnügen.

Die Universalsprache Musik stimmt
die Besucher auf die Ausstellung ein;
das Gamelan-Orchester sorgt für ein
erstes Klangerlebnis 
In manchen Teilbereichen verschwindet
das Objekt in der Inszenierung
Türen als Objekte des Übergangs
Der Eingangsbereich zum Themenkomplex Wohnen 
Ein Tipi der nordamerikanischer Ethnien

hergestellt für das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln
Der Kopf eines weißen Stiersargs
Ein Buddhakopf, der um 800 in Indonesien
aus einem Lavastein gefertigt wurde
Vishnu-Kopf aus Kambodscha

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