26.08.2013

Exkurs: Von Emotionen und totaler Partizipation

The Big Air Package (Christo) 
im Gasometer Oberhausen
Eine Ausstellung muss uns bewegen. Nur wenn Besucher auf emotionaler Ebene angesprochen werden, funktioniert Museum. Geweckt werden Gefühle z.B. durch Objekte die Erinnerungen wecken und Assoziationen ermöglichen, durch Preziosen voller Ästhetik die uns in ihren Bann ziehen oder durch ein Exponat, das eine Aura des Grauens, des Geheimnisvollen oder der Komik umgibt und uns ergreift...
Um dem Thema Emotionen in Ausstellungen näher zu kommen, ohne dieses nicht greifbare Phänomen konkretisieren zu wollen, möchte ich meine Erfahrungen aus den Besuchen zweier Kunstausstellungen – besser zweier Installationen – beschreiben, die als Extrembeispiele für emotionale, ganzheitlich erlebte Ausstellungsbesuche stehen.

The Big Air Package von Christo im Gasometer Oberhausen lebt von seinem Gigantismus. Das Gefühl sich in einer riesigen, über hundert Meter hohen, weißen Stoffblase zu befinden verschafft ein erstaunliches Wohlgefühl. Man wird als Mensch in seiner Größe durch die schieren Ausmaße des Ballons zwar reduziert, das Weiß, die warme Lichtfarbe, die Ruhe und das "Drinnensein" beruhigen aber und ermöglichen Entspannung. Vielleicht liegt es an der Reinheit der Umgebung, nichts stört die Optik – keine Linien, keine Winkel, keine Unebenheiten – man fühlt sich gut im Cleanen. Der bleibende Eindruck, trivial, man hat etwas besonderes erlebt, eine Raumillusion, die einem kein zweites Mal widerfahren wird.

in orbit von Tomás Saraceno im Ständehaus Düsseldorf (K21) geht einen Schritt weiter. Hier ist es nicht nur das außergewöhnliche Raumgefühl, das die Emotionen anregt. Hier ist es zusätzlich die Angst der Besucher mit der der Künstler spielt und die das Emotionsgefüge beeinflusst. In einem Spinnennetz aus Draht bewegen wir uns in fast 25 Meter Höhe. Wie die gefangene Beute begibt sich der Besucher auf eine unkoordinierte Wanderung in drei Netzebenen. Die Anfangseuphorie mischt sich mit Höhenangst und der Unsicherheit, die sich aus der schwer begehbaren Drahtnetzkonstruktion ergibt. Einen Kick liefert der Blick nach unten, der begleitet wird von den rational-unsinnigen Gedanken nach Stabilität der Konstruktion, Maschengröße und sonstigen Gefahren, die den Absturz herbeiführen könnten. Eine weitere Komponente der emotionalen Achterbahnfahrt ergibt sich aus der Kommunikation mit der anderen Beute sowie aus der physischen Belastung, die allerdings erst beim Ausstieg durch Schweiß und Atemlosigkeit bemerkbar wird.

Was haben diese Erfahrungen, die aus der totalen Partizipation an einer Kunstinstallation her rühren mit klassischen Museen zu tun? Wahrscheinlich nicht viel; für mich betonen sie aber eine Kernbotschaft, die Ausstellungsmacher stets beachten sollten: der Besucher lebt von den emotionalen Eindrücken, die Hintgergedanken – wie z.B. hybride Kommunikation bei in orbit – spielen für das Gros der Besucher nicht im Geringsten eine Rolle. Lasst die Besucher selbst ihre Erfahrungen sammeln. Die Kuratoren müssen den Zugang zu einer Welt der Selbsterfahrung schaffen, vielleicht auch manchmal eine Grobanleitung geben. Jeder Besucher kann dann mitnehmen, was für ihn wichtig ist, was er braucht - und wenn es nur großartige Unterhaltung oder ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.



in orbit


in orbit





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